Software-Patente
Sonntag, 26. Juni 2005 @ 15:14 CEST
Beitrag von: bernd
Das EU-Parlament berät am 6.7.2005 über Softwarepatente, und wird wohl an diesem Tag auch abstimmen. Die Abgeordneten haben sich noch nicht eindeutig festgelegt. Wir sollten also an die Abgeordneten Briefe schreiben (auf totem Baum, denn nur das zählt). Der Entwurf sieht aus wie folgt (bitte diskutieren!):
Sehr geehrte(r) Herr/Frau [Dr.] xxx,
Wir, die Forth-Gesellschaft e.V. sind ein gemeinnütziger Verein, der etwa 120 Mitglieder vertritt, die in sehr unterschiedlichen Positionen Software entwickeln (vom öffentlichen Dienst, in Großunternehmen oder KMUs, selbstständig oder im Rahmen von freien Software-Projekten). Wir haben uns auf unserer letzten Mitgliederversammlung einstimmig gegen Softwarepatente ausgesprochen, und möchten Sie bitten, in der entscheidenden Abstimmung die Position der ffii (swpat.ffii.org) anzunehmen. Dehalb: Stimmen Sie für den Rocard-Kompromiss. Nur durch die Annahme dieser Änderungsanträge lassen sich Software-Patente wirklich ausschließen. Die Ratsrichtlinie enthält einige Formulierungen, die auch in Zukunft dazu genutzt werden könnten, Software als solche zu patentieren.
Unsere Position begründet sich wie folgt:
- Software ist durch das Urheberrecht mehr als ausreichend geschützt.
- Fortschritt hat in diesem Sektor bisher auch ohne rechtswirksame Patente stattgefunden; Fortschritt misst sich auch nicht in Anzahl an Patenten. Wir möchten insbesondere darauf aufmerksam machen, dass die 30000 Softwarepatente, die das EPA bereits vergeben hat, bisher nicht rechtswirksam waren, und daher keine ernsthaften Auswirkungen auf die Softwareentwicklung in Europa hatten.
- Großunternehmen versuchen, durch gegenseitige Abschreckung und Patentaustauschabkommen die Monopolisierung von Ideen durch Patente zu umgehen (zeigen also, dass auch sie nicht wirklich an Patenten interessiert sind). Das bleibt allerdings wirkungslos, wenn Patente in die Hände sogenannter "Litigation Companies" kommen, also Anwaltskanzleien, die selbst keine Software produzieren, aber die Rechte an Patenten besitzen. Kleine und mittelständige Unternehmen sind in diesem Krieg auf alle Fälle die Verlierer, auch große Unternehmen werden belastet.
- Die Konkurrenzfähigkeit Europas gegenüber aufstrebenden Ländern in Asien wird geschwächt. Indien hat sich kürzlich eindeutig gegen Softwarepatente entschieden, und China bleibt bei seiner grundsätzlich ablehnenden Haltung.
- Softwarepatente verursachen große Kosten und Risiken bei der Softwareentwicklung. Auf der Kostenseite stehen Recherche, Lizenzzahlungen, Patentgebühren für eigene Patente. Das Risiko, dennoch ein Patent zu verletzen, und einen teuren Rechtsstreit austragen zu müssen ist erheblich. Software-Systeme sind komplex, und bestehen aus hunderten von Ideen. Schon ein einfacher Web-Shop "verletzt" 12 (rechtswidrig erteilte) europäische Patente.
- Europäische Unternehmen können selbstverständlich in Ländern, die andere Patentgesetze haben, Softwarepatente anmelden, und dort am "Gleichgewicht des Schreckens" teilnehmen. Ein europäisches Patent ist dazu nicht notwendig. Es ist auch nicht wünschenswert, diesen Unsinn nach Europa zu importieren - wenn schon in den USA diskutiert wird, ob man die dortigen Missstände lieber wieder abschafft.
- Auf keinen Fall dürfen Programmansprüche (Artikel 5 der Ratsrichtlinie) durchgesetzt werden. Ein Patent ist bereits veröffentlicht, eine weitere Veröffentlichung in eigenen Worten verletzt die Rechte des Patentinhabers ganz bestimmt nicht.
- Lassen Sie sich nicht von Behauptungen beeindrucken, der "gemeinsame Standpunkt" sei ebenfalls ein wirksames Mittel, Softwarepatente zu verhindern. Das stimmt nicht. Dieser Entwurf lässt Schlupflöcher offen, die es dem EPA ermöglichen, weiter Patente auf Software zu erteilen - und die dann auch vor Gericht bestehen würden.
- Der Bürger hat den Eindruck, dass die EU im wesentlichen ein Lobbyistenversammlung ist, und nicht in seinem Sinne entscheidet. Deshalb auch die ablehnende Haltung gegenüber der EU-Verfassung. Das bisherige Prozedere bei diesem Fall zeigt zu deutlich, dass diese Kritik durchaus berechtigt ist - wenn auch die Abstimmung des Parlaments 2003 gezeigt hat, dass es anders geht.
Zeigen Sie, dass Sie unabhängig für das Wohl des EU-Bürgers entscheiden können, ebenso wie Ihre Vorgänger 2003. Zeigen Sie, dass Sie dubiose Praktiken, wie den Ratsbeschluß, der zu dem angeblich "gemeinsamen" Standpunkt geführt hat, nicht billigen. Distanzieren Sie sich von Abgeordneten wie Klaus-Heiner Lehne, der eindeutige Interessenskonflikte hat. Und überlegen Sie auch, ob dieser Bereich wirklich gegen die Mehrheit der Mitgliederparlamente (insbesondere gegen den praktisch einstimmigen Beschluss des Deutschen Bundestags) "harmonisiert" werden muss. Enthalten Sie sich nicht Ihrer Stimme, denn jede Enthaltung ist eine Stimme für den "gemeinsamen Standpunkt" des Ministerrats.
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Forth-Gesellschaft e.V.
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