Die diesjährige EuroForth fand vom 13. bis 16. September auf Schloss Dagstuhl statt, wie immer, wenn die Konferenz in Deutschland ist. Das idyllisch in der Nähe von Idar-Oberstein gelegene Tagungszentrum bot auch diesmal neben der ausgesprochen angenehmen Atmosphäre einen angemessenen Rahmen für Vorträge und Workshops rund um Forth.
Der nullte Tag vor der eigentlichen Konferenz war dem Thema Forth 200X, dem kommenden Forth-Standard, gewidmet, zu dem ich als "Observer" anwesend war. Die technischen Diskussionen drehten sich diesmal insbesondere um die standardisierte Einbindung von Multibyte-Characters (XCHARs). Ich hatte bereits erwartet, dass eine Standardisierung nicht ohne Arbeit zu bekommen ist. Dennoch war ich beeindruckt, wie um jedes einzelne Wort in dem zukünftigen Standard gerungen und wie fein die Begründungen gegeneinander abgewogen wurden.
Nach der offiziellen Eröffnung durch den Veranstalter Klaus Schleisiek wurde in einem Vortrag von Anton Ertl über das Foreign-Function-Interface von gForth die Einbindung von C-Bibliotheken in Forth-Code vorgestellt. In der beschriebenen Erweiterung werden Stubs für die C-Funktionen manuell mit den gewünschten Signaturen definiert und dann zur Laufzeit on-demand übersetzt. Die Implementierung arbeitet zurzeit aufgrund des spezifischen Linker-Aufrufs nur unter Linux. An einer plattformübergreifenden Lösung wird gearbeitet.
Anschließend hat Bill Stoddard eine Methode zur Umkehrung von Zustandsänderungen in laufenden Forth-Programmen vorgestellt. Dazu werden die Änderungen im Speicher mitprotokolliert und dann auf Anforderung zurückgerollt.
Der zweite Tag begann mit einer Präsentation von Stephen Pelc über den SEAforth-Prozessor von Chuck Moores neuer Firma Intellasys. Der Prozessor verfügt über 24 unabhängige Kerne, welche in einer 6 mal 4 Matrix angeordnet sind und über 4 Kanäle mit den jeweiligen Nachbarn bzw. externem I/O kommunizieren können. Da keine Interrupts vorgesehen sind muss dieses in Software realisiert werden. Die interne Struktur ist stackorientiert und orientiert sich wie von Chuck zu erwarten an dem Programierkonzept von Forth. Durch die hohe Rechenleistung der 24 Kerne soll der Chip als General-Purpose-Chip bisher eingesetzte Spezialchips ersetzen. Die Firma ist in den letzten Jahren rasant von 4 auf 250 Mitarbeiter gewachsen, hat viele von den "alten Hasen" angeworben und sucht nach den Worten von Stephen händeringend weitere erfahrene Forth-Programmierer. Ob das der Anfang eines Revivals von Forth ist?
Danach folgte ein Vortrag mit anschließender Diskussion von Klaus Schleisiek über das Design des Microcore-Nachfolgers "Microcore 2.0". Microcore ist eine freie Prozessorarchitektur, welche als VHDL-Beschreibung vorliegt und als Grundlagen eigener Entwicklungen etwa in FPGAs gebrannt werden kann. Herausragend ist die Möglichkeit, auf einfache Weise anwendungsspezifische Instruktionen zu ergänzen und so komplexe Aufgaben quasi in Hardware zu erledigen. Der ursprüngliche Microcore ist beliebig in der Datenbreite skalierbar, aber die Instruktionen haben 8 Bit. Microcore 2.0 wird 16 Bit breite Instruktionen haben, um die Dekodierung zu vereinfachen.
Bernd Paysan hat eine weitere Anwendung für BigForth und die Bibliothek "MINOS" für grafische Oberflächen vorgestellt. Die vorgestellte Anwendung dient zur interaktiven Ansteuerung aller Features und Register eines neuen Signalprozessors für den Audiobereich. Dabei wird die Hardware durch das Programm direkt angesteuert und ist sowohl unter Linux als auch unter Windows lauffähig.
Am Abend gab es ein kleines Konzert im Musikzimmer von der Formation "Purple Pool" aus Hamburg. Auf die Frage "Spielen die Free Jazz?" Antwortete Klaus Schleisiek, welcher neben der Ausrichtung der Konferenz auch das Rahmenprogramm gestaltet hat: "Nicht nur". Neben quartorientierten Improvisationen wurden auch einige den barocken Räumlichkeiten angemessene klassische Stücke gespielt. Die Darbietungen auf insgesamt 22 Instrumenten wurden von den Teilnehmern gut aufgenommen.
Am letzten Tag war Raum für Spontanvorträge. Federico Ceballos hat Ideen für typsichere Record-Strukturen vorgestellt, Anton Ertl hat über eine Methode zum ausnahmesicheren Umsetzen von globalen Variablen innerhalb einer Funktion nachgedacht. Der Anfang vom Ende für Forth wurde von Klaus Schleisiek eingeläutet, welchem aber von allen Seiten energisch widersprochen worden ist. Insbesondere Carsten Strotmann konnte berichten, durch seine Aktivitäten in der Retrocomputing-Szene viele neue Interessenten gewonnen zu haben. Mit einer ganzen Reihe von Vorschlägen und nicht zuletzt durch das neue Produkt von Chuck Moore sollte die nächste EuroForth wieder mehr als die diesmal Anwesenden 15 Teilnehmer zählen können.
Bernd Paysan hat Fotos von der Veranstaltung gemacht
Die nächste EuroForth 2008 wird von Anton Ertl in Wien ausgerichtet und voraussichtlich Ende September 2008 stattfinden. Ich auf jeden Fall freue mich schon!
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Forth-Gesellschaft e.V.
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